Stilübung für Anfänger #6 (DE)

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Dies ist keine Stilübung im Bezug aufs Geschichtenerzählen. Dies ist mehr eine Stilübung in Fokussieren. In Zusammenfassen. Wie bringe ich eine Geschichte, eine Handlung, ein Thema in kurzen Sätzen auf den Punkt. Ist das schon schwer genug! Dann noch einen Schritt weitergehen: Wie schaffe ich es, eine Überschrift oder einen Titel so zu gestalten, dass ich den dazugehörigen Text unbedingt lesen MUSS?

Der erste Gedanke ist natürlich “Clickbait”.

Wikipedia sagt dazu: “Ein Clickbait besteht in der Regel aus einer reißerischen Überschrift, die eine sogenannte Neugierlücke (englisch curiosity gap) entstehen lässt. Sie teilt dem Leser gerade genügend Informationen mit, um ihn neugierig zu machen, aber nicht ausreichend, um diese Neugier auch zu befriedigen.”

Wichtig dabei ist aber, dass die Neugier auch befriedigt wird – wenn ich etwas anpreise und dann nicht liefere, ist mein Vertrauen beim Publikum dahin und ich muss mein Pseudonym ändern. Wahre Meister in guten Titeln oder Überschriften sind Journalisten diverser Zeitungen unterschiedlicher Niveaus. Ich denke, wenn man gratis Inhalte veröffentlicht (Blog, Video, etc.) beziehungsweise Self-Publisher ist, dann ist die Wahl der richtigen Überschrift oder des Titels extrem wichtig.

Es muss nicht nur “neugierig” gemacht werden, am besten ist der Titel oder die Überschrift so gewählt, dass man gar nicht anders kann, als es nicht zu lesen. Das ist natürlich bei Büchern unendlich schwierig, aber in der digitalen Welt mit etwas Übung durchaus lernbar. Es ist ein eigener Stil. Daher Stilübung.

Am besten übt man es, indem man mittels Brainstorming eine lange Liste mit Titeln macht. Am besten zwanzig oder mehr, und immer weiter daran feilen, bis einem nichts mehr einfällt. Die Liste weglegen und in zwei Tagen noch mal anschauen, vielleicht findet man den perfekten Titel, vielleicht erweitert man die Liste und wiederholt es so oft, bis man den genialsten Titel oder Überschrift gefunden hat, der zum Niveau des Publikums passt und auch wirklich jeden davon überzeugt, darauf zu klicken. Viel Erfolg.

Foto: Shop in Wien mit einer stilvollen Auslage. Aber auf welcher berühmten Einkaufsstraße im 1. Wiener Gemeindebezirk? Da mich meine Frau oft “Kuschelbär” nennt, musste ich das Foto machen. Wir beide sind im Jahr des Hasen geboren (aber wir sind nicht gleich alt!), daher passte es perfekt.

Kommen wir zu Robert, dem Zahnarzt: Jeder Absatz der Story wurde zu einer reißerischen Überschrift. Zusammenfassen könnte man die ersten drei auch als “Klappentext” eines Romans.

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Kuschelbär und Hase

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