Stilübung für Anfänger #7 (DE)

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Nun habe ich mir das erste Genre vorgenommen. Ein Genre, das so alt ist wie der (moderne) wilde Westen selbst: Der Western. Der Western hat viele Erkennungsmerkmale (Tropes) und er hat sich über die Jahrzehnte stark gewandelt. In den letzten Jahren wurde der Western recht sozial-kritisch, mein Lieblingswestern ist übrigens Erbarmungslos (Unforgiven, 1992) von und mit Clint Eastwood. Er ist so anders, man könnte ihn beinahe Anti-Western nennen.

Es gibt eine Menge Tropes im Western: die “Wilden”, Postkutschenüberfälle, Sheriffs, Viehdiebe Schießereien, Duelle, die Prairie, hilflose Frauen, Banditen und Gangs, Buffalo Bill und Billy the Kid etc. Ich habe versucht, so viele Tropes in die Stilübung einzubauen wie möglich. Ganz typisch Western ist es mir nicht gelungen, dafür bin ich zu rebellisch, aber Robert, der Zahnarzt hat auch im Wilden Westen alle Hände voll zu tun.

Das Foto aus Wien ist ein Fundstück von letztem Sommer an der Donau: der Belchtrottel:

Western

Robert, ein Zahnarzt, ritt von seiner Farm in die nahegelegene Stadt. Die Prairie war ruhig in den frühen Morgenstunden. Die Steppenläufer blühten.   

Er kam an einen Baum, an dem sie den Viehdieb nach kurzem Prozeß aufgeknüpft hatten. Ja, auch sein Vieh hatte er gestohlen gehabt, daher hielt sich sein Mitleid in Grenzen. Er baumelte leise im Wind. Nicht weit davon entfernt graste ein scheinbar herrenloses Pferd. Aber gleich dahinter fand er eine junge Frau auf einem Felsen sintzend vor und sie weinte. Er ritt zu ihr hin, stieg von seinem Pferd und zog seinen Hut. 

„Ma’m, benötigen sie Hilfe? Hat man Ihnen etwas angetan?“ 

Sie hielt ihre Hände heulend vorm Gesicht und murmelte: „Er war unschuldig, er ist kein Viehdieb…“ 

Da hatte Robert plötzlich das eigenartige Gefühl, dass sie nicht alleine waren und blickte sich um, konnte aber niemanden außer den grasenden Pferden sehen. 

„Sie sollten nicht hier alleine bleiben. Die Sioux sind auf dem Kriegspfad, und Banditen treiben hier ihr Unwesen. Sie sollten mit mir in die Stadt reiten.“ 

„Sind Sie nicht einer der Ankläger meines Mannes? Ja, jetzt erkenne ich sie…“ 

Sie nahm ihre Hände vom Gesicht und er sah ihre wütenden, stechenden Augen. Da beschloss er, sie sich selbst zu überlassen und alleine weiterzureiten. Er tippte auf seinen Hut und verabschiedete sich: „Ma’m!“ 

Später, beim Mittagessen im Saloon, bemerkte er, dass sein Geldbeutel verschwunden war. Oder hatte er ihn im Sattel vergessen? Er verließ den Saloon, um danach zu suchen, aber auch sein Sattel war leer. Wütend erinnerte er sich an den Vorfall am Morgen und griff instinktiv nach seiner Smith & Wesson. 

Zwei Tage später begegnet Robert der Frau im Saloon und stellt sie sofort zu Rede, beschuldigt sie des Diebstals mit dem Komplizen, ihrer männlichen Begleitung.  

„Ihr Mann war ein dreckiger Viehdieb und sie sind eine Diebin. Rücken Sie mein Geld heraus, oder ich hole den Sheriff!“ 

Es wurde ganz schnell zu den Pistolen gegriffen, aber sie blieben noch stecken. 

„Für diese Beleidigung werden Sie bezahlen. Wir sehen uns draußen, zum Duell!“ 

Der Barkeeper des Saloons hatte den Geldbeutel des Zahnarztes vor zwei Tagen unter einem Tisch gefunden und vernahm, worüber sie stritten. Der Zahnarzt wird das wohl nicht überleben, dachte er, er hat sich gerade mit Buffalo Bill angelegt. Der schießt schneller als Billy The Kid. Ich werde meiner Frau mit den Münzen ein neues Kleid kaufen, sie wird mir dankbar sein.

Draußen ertönen Schüsse und Schreie. 

Ja, die Sioux sind auf dem Kriegspfad.  

Blechtrottel